John Sinclair Nr. 1680: Gedanken des Grauens

John Sinclair Nr. 1680: Gedanken des Grauens


"Was will ich mit der Axt? Warum habe ich sie geholt? Was soll das bedeuten?" Adam Brooks stellte sich die Frage flüsternd, als er aus dem Auto stieg. Sein Gesicht glich einer bleichen Maske. Nur die Augen lebten. Doch auch sie zeigten keinen normalen Blick mehr, in ihnen loderte so etwas wie ein dunkles Feuer. Es schien wie ein Antrieb für den Mann mit der Axt zu sein. Seinen Wagen hatte er verlassen und schaute sich nun um. Etwas zwang ihn, die Gegend zu erkunden, in der er seine Zeichen hinterlassen würde. Es gab den Befehl, und er konnte sich nicht dagegen wehren …


von Jason Dark, erschienen am 21.09.2010, Titelbild: Natale
Rezension von VoXpOpZ:


Kurzbeschreibung:
Der Archäologieprofessor Gordon Sanders birgt auf einer Forschungsreise den Skelettschädel des Götzen Ugara und schafft ihn nach London. Hier lässt der Schädel harmlose Menschen zu Amok laufenden Bestien werden. Suko macht dem Spuk mit der Dämonenpeitsche ein Ende.


Meinung:
Wer glaubte, mit dem Psychonauten-Gott und der Jenseits-Kutsche (Bände 1670 und 1676) hätte die Sinclair-Serie zuletzt kaum zu übertreffende Tiefpunkte erreicht, wird diese Woche eines Besseren belehrt. Getreu dem Motto 'Schlimmer geht's immer' führt "Gedanken des Grauens" den Leser erneut an die Grenze des Erträglichen - und darüber hinaus.
Das Heft besteht zu 75 Prozent aus lahmen, gekünstelten Dialogen, die in ihren Versuchen, natürlich zu wirken, in Unnatürlichkeit untergehen. Der Rest sind öde Kampfsequenzen, die Suko und John wie Supermänner aus längst vergangenen Romanheftzeitaltern darstellen, und Szenen, in denen der Erzähler krampfhaft versucht, in das Innere der von den Gedanken besessenen Personen zu schauen, was auch gründlich misslingt. Eingebettet werden diese Versatzstücke in ein durchschnittliches Deutsch, Vorhersehbarkeit und gepflegte Langeweile.
Der verzichtbare Roman ist und bleibt ein einziges Ärgernis. Nahezu lächerlich ist letztlich die Auflösung um das Rätsel des Skelettschädels: es gibt sie schlicht und ergreifend nicht. Das Teil wird zerstört, ohne dass wir etwas über seine wahren Hintergründe erfahren. Woher stammt er wirklich? Welche Kraft steckt hinter ihm? Wer oder was ist Ugara? Warum werden bestimmte Personen von ihm beeinflusst, andere wiederum nicht? Gordon Sanders Vermutung, dass der Schädel ein Relikt aus Atlantis ist, in allen Ehren - aber sie bleibt eben auch nur eine aus der Luft gegriffene, billige Vermutung. Genauso gut könnte er auch aus Avalon stammen. Oder aus der Rumpelkammer von Herman Munster.
Vielleicht hätte man dem Autor überhaupt seinen Job erklären sollen. So scheint er zum Beispiel nicht zu wissen, dass er für eine Gruselserie schreibt. Gruseln kann man sich vielleicht vor den oben genannten Dialoglawinen, aber nicht vor dem eigentlichen Inhalt, also weder vor agierenden Personen noch vor unheimlichen Geschehnissen. Die Figuren sind unemotional, hölzern, triefen vor Klischees. Ludwig zum Beispiel ist der typisch holzgeschnitzte Museumsdiener, der schließlich zur willenlos-mordlüsternen Maschine verkommt, die man aber einfach nicht ernst nehmen kann. Adam Brooks Amoklauf im Intro gelingt auch eher halbherzig (was für ein Zufall, dass John und die Conollys im selben Restaurant sitzen!), Elisa Bancrofts Amoklauf findet gleich mal im Off statt, warum sollte man den auch näher beschreiben...
Desaströs ist vor allem der Versuch des Autors, das Titelbild in den Roman einzubinden. Zunächst wird es uns als Foto verkauft, das den Totenschädel zeigt. Ein paar Seiten weiter handelt es sich plötzlich um ein Gemälde, das ausgerechnet der klobige Ludwig angefertigt haben soll. Dann hätte Ludwig wenigstens Natale heißen sollen, das wäre zumindest noch einen Schmunzler wert gewesen. So aber bleibt nicht mehr als Kopfschütteln. Auch fragwürdig, warum dieser auf dem Cover erkennbare spacige Auswuchs am Hinterkopf des Schädels verschwiegen wird. Nur weil der Titelschriftzug darüber gesetzt wurde, heißt es ja noch lange nicht, dass man ihn nicht sieht. Auch hier wird Potenzial verschenkt, das der Geschichte noch einmal eine pfiffige Wende - oder doch wenigstens einen akzeptablen Hintergrund - hätte geben können.
Spannung kommt einzig im Finale auf, als Sir James vom Skelettschädel beeinflusst wird und John per Kopfschuss hinrichten will. Hier steht zum ersten Mal wirklich etwas auf dem Spiel. Leider kann diese kurze und dann viel zu unspektakulär aufgelöste Szene ("Topar!") den Roman auch nicht mehr retten. Der bis dahin über 62 Seiten gewonnene Eindruck bleibt: "Gedanken des Grauens" ist ein grauenhafter Roman, über den man sich besser nicht zu viele Gedanken macht.
Fazit: Unterirdisches Machwerk. Eigentlich ein Unding, dass es so ein Roman bis in den Verkauf schafft.


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Kommentare zum Cover:

Sehr angenehmes Cover: unaufdringlich, aber wirkungsvoll. Am besten gefällt mir die namenlose Spinne, die sich unbeeindruckt von der Decke lässt. Schade, dass sie im Roman nicht vorkommt: vielleicht wäre das die Rettung gewesen.


Coverbewertung:
4 Kreuze