John Sinclair Nr. 1705: Mein Job in der Horror-Höhle
"Ihre Fahrkarte, bitte!" Ellen Wells schaute hoch, als sie die Stimme
hörte. Der Schaffner oder Kontrolleur hatte sich leicht gebückt.
Er lächelte sie an. Wenig später lächelte er nicht mehr, denn
da hörte er ihre Antwort. "Ich habe keine Karte, ich bin einfach nur
geil. Und zwar geil auf dein Blut
"
von Jason Dark, erschienen am 15.03.2011, Titelbild: Synigovets
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Als eine Halbvampirin aufgegriffen wird, die einen Zugschaffner angefallen
hat, wird John Sinclair über diesen Vorfall informiert. Dieser verhört
die Frau namens Ellen Wells, die behauptet Kontakt mit dem Geist von Dracula
II gehabt zu haben. Doch Will Mallmann ist tot, zerfetzt von zwei Handgranaten,
die Sinclair eigenhändig gezündet hat. Ehe er weitere Informationen
erfragen kann, nimmt sie ihm die Beretta ab und erschießt sich. Sir
James findet heraus, dass Ellen Wells eine Lebensgefährtin hatte, die
Judy Gruber heißt. Diese wurde wochenlang als lebende Blutreserve gehalten
und hat sich bereits selbständig auf den Weg zu Scotland Yard gemacht.
Auch Judy kennt den Namen Will Mallmann und sie weiß auch, dass Ellen
Wells nicht allein war. Angeblich habe sie sich mit Gleichgesinnten in einer
Höhle nahe dem Ort Selling, bei Canterbury, getroffen. John Sinclair
und Suko machen sich unverzüglich auf den Weg. Doch was sie in der
Horror-Höhle erwartet übertrifft ihre Befürchtungen bei Weitem
Meinung:
Ein ungewöhnlicher, ja beinahe seltsamer Roman. Bereits die Vorschau
hat die Erwartungen hochgeschraubt, die nur zum Teil gehalten werden konnten.
Justine Cavallo spielt dieses Mal, wider erwarten, nur eine kleine Nebenrolle
und verhält sich ungewöhnlich desinteressiert. Doch das tut der
Spannung des Romans keinerlei Abbruch. Die Szene zu Beginn, in der Ellen
Wells den Schaffner anfällt, wurde sehr spannend geschildert. Gleichzeitig
tritt hier aber die erste Unstimmigkeit auf, denn warum verletzt sie den
Mann nur leicht an den Wagen, anstatt ihm gleich die Halsschlagader
aufzuschlitzen? Aus Schnittwunden im Gesicht tritt kaum genügend Blut
aus, um wirklich satt davon zu werden. Johns Verhör mit der Halbvampirin
ist sehr aufschlussreich, aber warum fragt er sie kein einziges Mal, wie
viele von Mallmanns Kreaturen noch leben? Immer wieder wird im Zusammenhang
mit den Halbvampiren erwähnt, dass John Sinclair nicht weiß, wie
viele es von ihnen gibt. Doch kein einziges Mal nutzt er eine Chance um
dahingehend nachzufragen. Auch bei späteren Gelegenheiten im Roman nutzt
er diese Möglichkeiten nicht. Dass John sich dann einfach so die Waffe
abnehmen lässt, ist beinahe fahrlässig und dürfte einem so
erfahrenen Ermittler nicht passieren. Ein Armutszeugnis, zumal es fraglich
ist, ob Polizisten überhaupt bewaffnet einen Verhörraum betreten
dürfen. Meines Wissens nämlich nicht. Nichtsdestotrotz wurde diese
Szene sehr dramatisch geschildert. Ein Sakrileg innerhalb der Serie ist folgender
Satz: "Und so hatte ich mir selbst einen Kaffee gekocht, den ich in kleinen
Schlucken genoss. Ob er so gut war wie der von Glenda, konnte ich nicht
sagen." Bislang war der Kaffee von Johns Sekretärin der beste im
ganzen Yard und plötzlich ist sich Sinclair nicht mehr sicher, ob seiner
so viel schlechter ist? Merkwürdig.
Im Mittelteil des Romans flacht die Spannung durch viele unnötige und
schlechte Dialoge und Wetterbeschreibungen ab. Erst als die Geisterjäger
das Haus von Judy Gruber betreten wird es wieder spannend. Positiv zu bewerten
ist die Art und Weise, wie sich Sinclair um Judy Gruber kümmert. Die
nächste Auffälligkeit lässt aber nicht lange auf sich warten.
Als John und Suko sich daran machen die Höhle zu betreten reicht der
Chinese seinem Freund die Pistole, damit er beide Hände frei hat, um
die Dämonenpeitsche zu ziehen. Bisher konnte Suko dies einhändig.
Der größte Fehler in der internen Logik ist auch gleichzeitig
das Highlight des Romans, so paradox das klingen mag. ACHTUNG SPOILER! Seit
über einem Jahr hat der Spuk endlich wieder einen Auftritt, denn niemand
anderes als der Schattendämon hat die Seele von Dracula II annektiert.
Doch die Gründe dafür sind mehr als hanebüchen. Zum einen
wird erwähnt, der Spuk würde nur besondere Dämonenseelen in
seinem Reich aufnehmen (was etwas ganz Neues wäre, denn wohin verschwinden
die restlichen Seelen?), und zum anderen hat der Spuk angeblich das Gejammer
von Mallmanns Seele nicht mehr ertragen. Um es mit den Worten von Atze
Schröder zu sagen: "Ja ne, is' klar." Gerade dieses Jammern und
Zähneknirschen, wie es immer so schön heißt, war früher
immer Musik in den nicht vorhandenen Ohren des Spuks. Johns Reaktion am Ende
wird polarisieren. Zum einen ist es einfach unverständlich weshalb er
sieben Halbvampire wissentlich entkommen lässt, zum anderen sind seine
Befürchtungen nur allzu verständlich. Seine Angst, sich den Spuk
zum Feind zu machen, der dann vermutlich die Seele von Dracula II endgültig
freilassen würde, ist durchaus berechtigt und nachvollziehbar. Weniger
nachvollziehbar ist die Motivation des Spuks. Denn was bringt es diesem
mächtigen Dämon erst die komplette Vampirwelt, mit allem was dort
kreucht und fleucht, zu vernichten und sich jetzt mit den Halbvampiren zu
verbünden? Doch was sind wir kleine Leser denn schon, uns anmaßen
zu wollen, die Gedanken eines Dämons verstehen zu wollen?
Fazit: Durchwachsener Sinclair-Roman, der in erster Linie etwas für
regelmäßige Leser, sprich Fans, ist. Die laufende Handlung um
die Halbvampire geht offenbar in die entscheidende Runde und trotz einiger
Unzulänglichkeiten bereitet das Lesen Spaß.
Besonderheiten:
2 Halbvampire werden vernichtet, sieben weitere verschwinden im Reich des
Spuks.
Der Spuk hat einen Teil der Seele von Dracula II freigegeben, damit dieser
Kontakt mit seinen Dienern aufnehmen kann.
Der Spuk bereitet einen großen Plan vor, der in naher Zukunft umgesetzt
werden soll.
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Cover zeigt dieses Mal Suko und Judy Gruber in der Horror-Höhle.
Zwar sieht der Mensch nicht gerade wie ein typischer Chinese aus, aber Sinclair
hat blonde Haare. Wirklich neugierig auf den Roman macht das Titelbild aber
nicht, obwohl es künstlerisch durchaus nicht schlecht ist.
Coverbewertung:
Rezension von
VoXpOpZ:
Kurzbeschreibung:
Über eine Blutsaugerin, die Scotland Yard ins Netz geht, kommt John
mehreren Halbvampiren auf die Spur, die immer wieder andeuten, dass Dracula
II nicht vernichtet ist. John und Suko reisen nach Canterbury, wo sie in
einer Höhle auf den Spuk stoßen. Der macht John klar, dass Mallmann
tatsächlich noch existiert - oder vielmehr Mallmanns Seele, die er in
seinem Reich gefangen hält. Der Spuk deutet außerdem an, dass
er einen großen Plan verfolgt, über dessen Inhalt er den
Geisterjäger jedoch im Unklaren lässt.
Meinung:
Ein spannender und gruseliger Vampirroman, der nicht nur gut zu unterhalten
weiß, sondern John indirekt wieder mit einem seiner schlimmsten Gegner
konfrontiert.
Zunächst scheint es fast, als jage John nur einem Phantom hinterher:
einer fixen Idee, dass Dracula II doch noch existieren könnte. Immer
wieder führt John sich vor Augen, dass das eigentlich unmöglich
ist. Trotzdem kann er sich eines leisen Zweifels nicht erwehren, der sich
auch auf den Leser überträgt. Hat Mallmann etwa überlebt?
Ist Dracula II vielleicht doch nicht vernichtet? Hier stellt Jason Dark einmal
mehr sein Gespür für Suspense unter Beweis und zeigt, wie gut er
Spannungen aufbauen und halten kann. Die schlussendliche Auflösung in
der Horror-Höhle ist so sinnfällig wie konsequent und weist die
Gesamthandlung der Serie in eine neue, vielversprechende Richtung.
Mit Judy Gruber und Hellman erschafft Dark zwei starke gegensätzliche
Charaktere, von denen wohl zumindest letzterem noch mindestens ein weiterer
Auftritt vergönnt sein dürfte. Während Judy die
sympathisch-mutige, liebenswerte Frau von nebenan ist, die der Leser alsbald
in sein Herz schließt, stellt Hellman ihr Fleisch gewordenes Gegenteil
dar. Der unsympathische und brutal-ekelhafte Halbvampir mit den angefeilten
Zähnen wird zu einem regelrechten Sinnbild des Schreckens. Kurioserweise
ruft sein Name Erinnerungen an den Dämonenjäger Hellmann aus Weimar
hervor, der Ende der 1990er-Jahre 56 Mal auf Geisterjagd gehen durfte. Die
Bastei-Gruselserie versuchte damals, einen (ost-)deutschen John Sinclair
zu etablieren, der an das englische Original aber nicht heranreichte.
Schade ist, dass der Roman auf eine eindeutigere Positionierung der Figur
Justine Cavallo verzichtet. Trotzdem die Geschichte ein Thema anpackt, das
ihr auf den Leib geschnitten ist, verharrt die Vampirin im Hintergrund und
kommt über eine Szene, die sie maulend und gelangweilt in ihrem Zimmer
verbringt, nicht hinaus.
Was zudem in unguter Erinnerung bleibt, ist eine Lesben-Sex-Sequenz, in der
die Halbvampirin Ellen Wells ihre Freundin Judy ans Bett fesselt, ihr mit
einem Rasiermesser Wunden zufügt und genüsslich Judys Blut trinkt.
Eine harte Szene, die nicht unbedingt jedem Leser gefallen haben dürfte,
- erscheint Ellens Lustgewinn durch den Blutverlust ihrer Freundin einmal
mehr (vgl. Rezension zu JS 1687
"Leibwächter der Halbvampire") als pervertierte Form der Sexualität,
deren Verarbeitung in einer Serie wie 'Geisterjäger John Sinclair' doch
zumindest fragwürdig erscheint.
Nichtsdestotrotz erweist sich das Heft als flüssiger und guter Roman,
der große Erwartungen an die Fortsetzung weckt. Johns Job in der
Horror-Höhle macht Lust auf mehr und deutet an, dass noch ein sehr hartes
Stück Arbeit vor unserem Lieblingsgeisterjäger liegt.
Besonderheiten:
- Erster Auftritt des Halbvampirs Hellman.
- John erfährt, dass die Seele von Dracula II den Handgranatenangriff
in JS 1645 ("Blutsturm") überlebt
hat und im Reich des Spuks noch immer existiert.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Gut und schlecht. Gut ist die Höhle, die atmosphärisch und unheimlich
rüberkommt. Schlecht sind die Personen, die einfach zu künstlich
wirken. By the way: wenn der Mann Suko sein soll, dann ist die Fledermaus
auf Seite 3 Carlotta.
Coverbewertung: