Larry Brent Neu - Nr. 5: Der Biss des Lebenszehrers
In Prag geht das Grauen um: Menschen altern binnen weniger Stunden und berichten
sterbend von gräßlichen Visionen, denen sie in ihren schnell
zerfallenden Körpern bis zuletzt ausgesetzt sind ... und von einer Kreatur,
die in Schatten und Spiegeln haust, abgrundtief traurig und einzig geleitet
von ihrer vampirhaften Gier nach Lebensenergie. Als die PSA-Agenten Larry
Brent und Iwan Kunaritschew die Spur zu jenem Hotel finden, das es nur in
der Zeit zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens gibt, erahnen sie das wahre
Mysterium um Rabbi Löw und den sagenhaften Golem. Doch das Ende der
Stadt Prag ist bereits nahe. Larry Brent in einem brandheißen
Grusel-Abenteuer. Ein alptraumhafter Wettlauf gegen die Zeit - und gegen
ein Wesen, das sich selbst Lebenszehrer nennt.
von Martin Eisele, erschienen 2002, Titelbild: Dameron
Rezension von
Egon der
Pfirsich:
Kurzbeschreibung:
In der Prager Altstadt materialisiert jede Nacht zwischen Mitternacht
und 1 Uhr ein altes Haus aus dem Nichts. Es handelt sich dabei um das historische
"Hotel zur Goldenen Elle", in dem um 1580 der Rabbiner Jehuda Löw aus
Lehm ein Ungeheuer namens Golem erschaffen hat, um mit seiner Hilfe das sich
ausbreitende Verbrechen im jüdischen Viertel zu bekämpfen.
Tatsächlich entsteigt einem alten Spiegel im Keller des Spukhauses der
Golem. Auf der Suche nach einer Seele, die ihm die Berechtigung zum Leben
verschaffen würde, tötet der Golem mehrere Menschen, indem er ihnen
die Lebensenergie entzieht. Dabei erleiden die Opfer im Todeskampf schreckliche
Visionen. Die Polizei steht zunächst vor einem Rätsel. Erst als
eine junge Frau, die in Begleitung ihres Freundes unterwegs ist, das Opfer
des Golem wird, gibt es für die grausigen Taten einen Zeugen. Während
der junge Mann sich nach der Attacke des Golems um seine sterbende Freundin
bemüht, überfallen ihn Visionen und führen ihn im Geiste
zurück in die Vergangenheit, wo sich die Geschichte des Rabbi Löw
und seines Geschöpfes Golem vor seinem inneren Auge entfaltet. Auch
ein kleiner Junge, Mitglied der "Seemöwen", einer Bande obdachloser
Jugendlicher, wird in Gegenwart seiner Freunde vom Golem getötet. Diese
und weitere Morde rufen die PSA-Agenten Larry Brent und Iwan Kunaritschew
auf den Plan. Zur gleichen Zeit gelingt es dem Geist des Rabbi Löw,
den Tod eines weiteren Opfers zunächst zu verhindern, indem er dessen
Körper und Bewußtsein übernimmt. Auf diese Weise will er
in der Gegenwart seinen einstigen Fehler wiedergutmachen und den Golem
vernichten. Er erreicht aber das Gegenteil, der Golem tötet seinen
Wirtskörper und gewinnt weiter an Macht. Erst mit Hilfe der jungen Inanna,
Anführerin der "Seemöwen", die ein geheimnisvolles Amulett bei
sich trägt, und der Erschaffung eines "Gegengolem" können die
PSA-Agenten die Mordserie endgültig stoppen.
Meinung:
Nachdem ich erst kürzlich Martin Eiseles ersten Roman für
die Larry Brent Buchausgabe "Der Blutengel von Tschernobyl" gelesen (und
bewertet) habe, bin ich davon ausgegangen, hier einen ähnlichen Text
vorzufinden. Aber ich habe eine große Überraschung erlebt: war
das Erstlingswerk ein sowohl sprachlich als auch inhaltlich sehr modernes
Werk, dass den Super-GAU von Tschernobyl als Aufhänger hatte, so
präsentiert Martin Eisele hier eine eher traditionelle Gruselgeschichte,
die auf der alten, wohlbekannten Legende um den Golem basiert. Auch sprachlich
gibt sich der Autor deutlich konservativer. Schon der Anfang hätte ebenso
in einem Gespenster-Krimi aus den 70er-Jahren stehen können: eine Touristen
läuft nach Mitternacht allein durch die engen menschenleeren Gassen
der Altstadt von Prag und fällt dabei dem Golem in die Hände.
Martin Eisele schreibt eine sehr stimmungsvolle Geschichte. Stellenweise
läßt er das Flair der Vergangenheit aufleben, insbesondere in
den zahlreichen Rückblenden. Darin schildert er, wie Rabbi Löw
im jüdischen Viertel Prags den Golem erschuf, wie das Ungeheuer sich
seinem Einfluss entzog und wahllos zu töten begann, und wie die
"Bruderschaft des Schweigens" gebildet wurde, deren Aufgabe es durch die
Jahrhunderte hindurch war, die Untaten des Golem zu beschränken und
zu verhindern, dass er außerhalb des jüdischen Viertels mordet.
Weitere Rückblenden in die jüngere Vergangenheit, so z.B. die Zeit
der Besetzung Prags durch die Nazis (1940) oder des "Prager Frühlings"
(1968) schildern jene Ereignisse, die dazu führten, dass aus dem Golem
der "Lebenszehrer" wurde, der seinen Opfer die Lebensenergie nimmt.
Martin Eisele schafft es aber zugleich auch, die moderne Zeit glaubhaft
herüberzubringen. Besonders gelungen ist ihm das mit Jugendbande
"Seemöwen" um das Mädchen Inanna, die sehr ausführlich beschrieben
wird. Er läßt sich Zeit mit der Geschichte, erzählt ohne
Hast: die Organisation PSA wird erstmals auf Seite 89 erwähnt, zum ersten
Auftritt der PSA-Agenten Larry Brent und Iwan Kunaritschew kommt es auf der
Seite 111 (von 173). Trotzdem kommt, insbesondere die Hereinnahme der
abwechslungsreichen Vergangenheitsrückblenden, keine Langeweile auf.
Im übrigen hätte - von der Idee und der Thematik her - dieser Roman
auch durchaus von Dan Shocker geschrieben werden können. Abenteuer mit
einer historischen "Vorgeschichte" gab es auch bei ihm, z.B. in "Das Schloß
der teuflischen Deborah" (LB
Nr. 91) . Stilistisch
und von der Gliederung der einzelnen Abschnitte her hätte Dan Shocker
den Roman aber sicherlich anders gestaltet.
Alles in allem ein schönes und atmosphärisches Buch, dem man allenfalls
vorwerfen kann, dass die PSA-Agenten insgesamt etwas zu kurz kommen (auch
wenn die Vernichtung des Golem letztlich ein besonderes Risiko für die
beiden ist). Und vielleicht wäre es besser gewesen, ein paar weniger
Nebenhandlungen, die letztlich nur neue Opfer für den Golem ergaben
und die Geschichte sonst nicht weiterbrachten, einzubauen. Trotz dieser kleinen
Einwände hat mir der Roman sehr gut gefallen, daher vergebe ich hier
4 Kreuze, verbunden mit der Bitte an Herrn Kaegelmann (Chef des Blitz-Verlages),
sich um weitere Romane von Martin Eisele in der Larry Brent-Reihe zu
bemühen.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Titelbild ist nicht unattraktiv, paßt aber mal wieder nicht zum
Roman. Die hier abgebildete Harlekinfigur kommt im Roman nicht vor und hat
keinerlei Ähnlichkeit mit dem Golem. Lediglich der Spiegel weist auf
den Umstand hin, dass im Roman der Golem einem alten Spiegel entsteigt. Da
mir das Bild aber irgendwie doch gefällt, habe ich mich unter Abwägung
des Für und Wider für 3 Kreuze entschieden.
Coverbewertung: