Monstrula Nr. 3: Das Schloß der tausend Augen
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Nachtschwarze und unendliche Leere breitete sich um die junge Frau herum
aus. Wie ein rasendes Geschoß wurde die Gestalt in die Weite des Raumes
geschleudert - schneller, immer schneller. Ein fremdes, lauter werdendes
Zischen näherte sich langsam, durchdrang ihr Trommelfell, erfüllte
den Kopf, pflanzte sich durch den ganzen Leib fort. Die Lungen fühlten
sich bleischwer an. Sie wollte schreien, aufwachen aus dem Traum, begriff,
daß es kein Traum war, sondern grausame Wirklichkeit. Sie fiel tiefer,
suchte verzweifelt Halt. Die Hände umkrallten das Nichts, das sie tosend
umgab. Der Mund war zu einem lautlosen Todesschrei geöffnet. Die langen
blonden Haare schlugen in das angstverzerrte Gesicht. Der schwerelose
Körper bäumte sich auf, drehte sich wie ein Blatt im Sturm.
Unaufhaltsam zog der Sog sie weiter und wirbelte sie herum. Nein! Nein! schrie
es stumm in ihr. Die Augen quollen in panischer Angst aus den Höhlen,
durchbrachen das Dunkel. Was war das? Da, eine Gestalt, verschwommen in weiter
Ferne über ihr. Ein Mensch! Ihre Hände streckten sich aus,
hilfesuchend, verkrampften sich im leeren Raum. Die Gestalt wurde kleiner,
entfernte sich immer weiter und verlor sich in der Nacht. Nur noch das grausame,
teuflische Lachen des Unmenschen drang zu der Gemarterten und zerschnitt
die Todesstille wie ein Dolch. Das Gelächter eines Satans, einer Bestie
in Menschengestalt.
von M.R. Richards, erschienen am 16.9.1974, Titelbild: Olof Feindt
Rezension von
Adee:
Kurzbeschreibung:
Es sind zwei Pärchen auf einem Wochenendausflug: Geisterseher Jack Callum
und seine Freundin Jenny McDonald und sein Bekannter Joe Archer und dessen
Freundin Lizzy Moran. Die Reise führt in das Herrenhaus von General
Philip Cammeron, der es nun als Pension betreibt und die Gäste gern
mit Geschichten aus seiner Militärzeit in Indien langweilt. An diesem
Wochenende ist das Haus ausgebucht, ebenfalls anwesend sind zwei Ehepaare
mit ihren Kindern. Schnell spürt Jack, dass ihn sein Schicksal mal wieder
verfolgt und in dem Haus auf der Klippe nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Da gibt es ein geheimnisvolles, leer stehendes Zimmer, in dem eines der Kinder
etwas Unheimliches zu sehen glaubt. Kurz darauf schneidet ein Sturm das Haus
von der Außenwelt ab, während Callum unbemerkt von den anderen
mit den Geistern Kontakt aufnehmen kann. Es sind die Opfer des irren
Massenmörders Galveston Brown, der dreißig Jahre zuvor in diesem
Haus wütete, bevor man ihm auf die Schliche kam und ihn hinrichtete.
Und diese Geister wollen Rache. Aber das versuchen sie auf eine seltsame
Weise. Die Wochenendgäste werden zusehends paranoider, Misstrauen entsteht,
bald kommt es zu der ersten Gewalt, als jemand scheinbar die Kinder bedroht.
Schnell glauben alle die Schuldige ausgemacht zu haben: Lizzy Moran. Lange
Zeit kann Jack Callum den Plan der Rachegeister nicht verstehen, aber dann
findet er die Wahrheit heraus. Lizzy Moran ist ein Nachkommen des Mörders,
und seine ehemaligen Opfer wollen sie für die Taten ihres Vorfahrens
büßen lassen. Nur mit viel Glück kann Jack verhindern, dass
die aufgeputschten Gäste Lizzy einfach lynchen. Als er aber einsieht,
dass er gegen die Macht der Geister auf die Dauer nicht ankommen wird, versucht
er ein verzweifeltes Manöver. Mit letzter Kraft beschwört er den
Geist von Galveston Brown herbei und überlässt ihn den Geistern
seiner Opfer, die ihn nun für alle Ewigkeit quälen können
und Lizzy daher gehen lassen.
Meinung:
Der Roman ist allein schon deshalb ungewöhnlich, weil die Handlung in
einem genau definierten Zeitrahmen spielt. Die Geschichte beginnt um 17.00
und endet am nächsten Morgen um 6.15. Auch schon zur Entstehungszeit
sicher kein unbedingt neues Konzept, das aber auch heutzutage immer noch
gern benutzt wird (Man denke an Akte X oder 24). Aber es ist auch ein
kompliziertes Handlungsgerüst, das nicht einfach zu schreiben gewesen
sein kann. Und als hätte Richard Wunderer diese Herausforderung noch
nicht gereicht, musste er alles an einem Schauplatz spielen lassen. Und trotz
der Bemühungen der Rachegeister gibt es keinen Toten und fließt
kein Blut. Also in jeder Hinsicht ein ambitioniertes Konzept für ein
Heft. Und man muss es dem Autoren lassen, er bekommt das größtenteils
gut und spannend hin. Zwar wirken viele der Spukeinlagen heutzutage eher
lahm, aber die schleichende Bedrohung in dem alten Herrenhaus stimmt, und
die wachsende Paranoia der Gäste, die am Ende zum Lynchmob avancieren,
ist überzeugend geschildert. Die Charaktere sind ziemlich klischeelastig,
funktionieren aber ganz gut. Richtig bizarr ist allerdings der General. Nichts
gegen Erinnerungen aus der Militärzeit, aber die lesen sich hier, als
hätte der gute Mann zur Zeit von Königin Viktoria seinen Dienst
in Indien versehen und nicht im Zweiten Weltkrieg oder danach. Die
Auflösung ist clever, und Jack Callum kommt als interessanter Held
rüber, der für seinen Erfolg hart arbeiten muss. Wer in seinem
Horrorheft viel Action und ein bisschen Blut will, kommt hier natürlich
überhaupt nicht auf seine Kosten, aber wer psychologischen Grusel mag
und einen ungewöhnlichen Erzählansatz zu schätzen weiß
der im Horrorheft nun wirklich nicht häufig zu finden ist -, wird hier
gut bedient.
Besonderheiten:
Die Handlung spielt von 17:00 bis 6:15 am folgenden Morgen.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Stellt eine Szene des Romans dar und bleibt dem grafischen Coverkonzept treu.
Coverbewertung:
Zusatzhinweise zu dem Titelbild kommen von Bloemsemann:
Die schreiende Frau auf dem Cover war bereits auf dem Titelbild des Europa
Hörspiels Nr. 4 "Das Schloß des Grauens" aus der Gruselserie zu
sehen:
Auch auf dem Cover des inhaltlich (fast) gleichen Hörspiels "Das Gespenst
vom Schloßhotel" war es zu sehen: