Occu Nr. 55: Hochzeitsnacht der Hexen

Occu Nr. 55: Hochzeitsnacht der Hexen


Über der Meerenge von Bab el Mandeb, von Arabern und Beduinen "Tor der Tränen" genannt, hing ein sternenübersäter Himmel. Wie das Krummschwert des Propheten stand die geschwungene Mondsichel am Firmament. Es war kurz vor Mitternacht. Ein lauer Wind strich über die Meerenge. Von fern her vernahm man das Heulen eines Schakals. Leicht und elegant glitt die Sha'ara, die Luxus-Dhau von Emir Omar Jussuf Ben Abdullah Ibn Hadj über die Wasserfläche. Lautlos bewegten sich die Ruder. Die schweißnassen Rücken der Rudersklaven schimmerten im Glanz der Sterne. Der Emir war ein beeindruckender Mann von etwa vierzig Jahren. Er trug einen sorgfältig eingeölten Kinnbart, der den vollen Mund und die ebenmäßig weißen Zähne eindrucksvoll unterstrich. Seine hohe Stirn schmückte ein Silberreif. In seinen mandelförmigen Augen wurde ein seltsames Gemisch aus Sinnlichkeit, Geschäftssinn und Grausamkeit sichtbar. Er saß auf dem erhöhten Vorderdeck auf einem Sessel aus geschnitzten Elefantenzähnen und Leopardenfellen. Seine Füße ruhten auf dem Rücken eines jungen Mädchens. Es hielt die Augen geschlossen und glich in seiner Bewegungslosigkeit einer Statue. Hinter dem Herrscher kauerten Musikanten.


von Hademar Bankhofer, erschienen im August 1980, Titelbild: ???