Professor Zamorra Nr. 906: Das Vermächtnis der Hexe

Professor Zamorra Nr. 906: Das Vermächtnis der Hexe


Als er die Berührung an der Schulter fühlte, war es bereits zu spät. Er wollte sich noch umdrehen, da kreischte auch schon der Schmerz durch seinen Körper wie ein entgleisender Zug. In seinem Blick lagen Entsetzen, Unglauben und Enttäuschung. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch kein Laut kam über die Lippen. Stattdessen stürzte sein Bewusstsein in ein schwarzes Loch - und so bekam Rhett Saris ap Llewellyn gar nicht mehr mit, wie sich die Welt um ihn herum veränderte...


von Oliver Fröhlich, erschienen am 17.02.2009, Titelbild: Candy Kay

Rezension von Stefan (Lobo) Albertsen:


Kurzbeschreibung:
Vorgeschichte: Im Jahre 1809 erweist sich die Spielzeugverkäuferin Henriette als Hexe, die bevorzugt Kinder zu braten und zu verspeisen, um sich selber ihre Form der Unsterblichkeit zu sichern. Zu ihrem Leidwesen hat sich Pech und wird von zwei Hexenjägern, die der Spur ihres zu letzt entführten Opfers folgten, gestellt und vernichtet.
Gegenwart: Rhett Saris ap Llewellyn findet sich urplötzlich im Abteil eines durch die Nacht jagenden Zuges wieder. Er ist verwirrt und erinnert sich nicht mehr daran, wie er dort hinein gelangt ist. Seine Verwirrung steigert sich noch, als er erkennen muss, dass es keinen anderen Menschen in dem Zug gibt und dass alle Türen im Inneren nur Attrappen sich, die sich nicht öffnen lassen. Zwischen Verzweiflung und Wut hin und her pendelnd sucht Rhett einen Weg aus seiner misslichen Lage, doch auch der Aufenthalt auf einem Bahnhof, an dem der Zug hält und es ihm möglich ist auszusteigen, wirft weitere Fragen auf. Anscheinend befindet Rhett sich in einer fremden Dimension namens ‚Neufeld', wo ‚Schlurpi-Eis' angepriesen wird und eine Band namens ‚Shrinking-Sausages' bald ein Konzert geben werden. Außerdem entdeckt er, dass die große Uhr am Dach des Bahnhofs nur aufgemalt ist und auf einem Fahrplan lediglich ein unleserliches Geschmiere steht.
Derweil sind Rhetts Mutter - Lady Patricia - und Professor Zamorra etwas ratlos, weil der Junge im Getümmel eines Karnevalmarktes in Lyon, zu dem sie sich alle begeben haben, verschwunden zu sein scheint.
Während Lady Patricia ihren Sohn suchen geht, aktiviert Zamorra die Zeitschau seines Amuletts, um herauszufinden, wo Rhett abgeblieben ist, doch dieser eher an Routine erinnernde Einsatz von Merlins Stern mündet in eine echte Katastrophe. Zamorra kann die Zeitschau nicht mehr deaktivieren. Alteingesessene Leser der Serie wissen ja bereits, dass es für Zamorra tödlich sein würde, wenn er 24 Stunden in die Vergangenheit zu schauen versucht und sogar das Überschreiten der 8-Stunden-Grenze eine extreme Belastung für den Gesundheitszustand des Professors darstellen wird. Zamorra ist entsetzt, kann die Rückschau aber nicht anhalten und bricht zusammen. Inzwischen trifft Rhett in ‚Neufeld' auf zwei englische Kinder, von denen er gelesen hat, dass sie bei dem Karneval in Lyon verschwunden sind.
Jack und Margret berichten von einem alten Mann, der ihnen in einem Zelt Spielzeuge zeigen wollte und bei Rhett beginnen sich nun auch einige Erinnerungen zu regen, in denen er sich bei eben diesem Mann, in eben diesem Zelt sieht. Ganz allmählich formt sich vor dem geistigen Auge des Erbfolgers ein Bild dessen, was geschehen ist und er erkennt, wo er sich tatsächlich befindet. Zu allem Überfluss entsteht, offenbar durch seine Llewellyn-Magie aktiviert, ein unförmiges Teermonster, dass irgendwo herumschleicht und die eigentliche Urheberin der mysteriösen Geschehnisse tritt auf den Plan, um ihrer besonderen Vorliebe für knusprig gebratenes Kinderfleisch und deren Seelen zu frönen. Eine äußerst prekäre Lage, aus der ihn Zamorra im Moment nicht befreien kann, denn immerhin droht ihm gerade der Tod durch sein eigenes Amulett, das vollkommen verrückt spielt.


Meinung:
Wenn ich einen Heftroman mit normalem Seitenumfang binnen einer Stunde durchgelesen habe, ist es eigentlich immer ein gutes Zeichen. In diesem Falle ist es auf jeden Fall ein gutes Zeichen, denn der zweite PZ-Roman von Oliver Fröhlich steht der Qualität des hervorragenden Debüts in keinster Weise nach. Im Gegenteil. Ich möchte sogar sagen, dass die vorliegende Story noch deutlicher zeigt, dass der Autor sich nicht nur ausgezeichnet mit der Materie auskennt, sondern auch noch mit Worten umzugehen weiß und spannende Geschichten fabrizieren kann.
"Das Vermächtnis der Hexe" ist ein vielschichtiger Roman, in dem mehrere Handlungsstränge ablaufen, die allesamt gekonnt miteinander verwoben werden und gleichermaßen zu faszinieren vermögen. Die Geschehnisse des Jahres 1809, die letztlich ein interessantes Ende aufweisen, Rhetts Abenteuer, aus dem er sich - mehr oder weniger - alleine herausarbeiten muss und natürlich Zamorras Bedrohung durch ein komplett durchgedrehtes Amulett fügen sich nahtlos - wie ich meine - zusammen und schaffen es tatsächlich, dass man den Roman nur höchst ungern aus der Hand legt, ehe man ihn nicht ausgelesen hat. Rhetts Misere, aber auch zu Beginn seine Verdrossenheit ob seiner "Besonderheit" sind sehr schön geschildert und zeigen, dass es nicht ganz einfach ist, der Erbfolger zu sein.
Natürlich ist die Geschichte - wie vom Autoren auch schon in einem Werkstattbericht klargestellt - eine leicht umgearbeitete Neufassung eines früheren Romans, doch Fröhlich schafft es tatsächlich aus einer sehr guten "Hüter-Kurzgeschichte" einen exzellenten Professor Zamorra-Roman zu basteln. Interessant sind die Anspielungen auf die Erbfolger-Vergangenheit und ich vermute einfach mal, dass wir über diese Thematik in nächster (oder fernerer) Zukunft noch einiges erfahren werden. Man darf also gespannt sein!


Besonderheiten:
Merlins Stern lässt sich bei einer Zeitschau nicht mehr stoppen und tötet damit beinahe Professor Zamorra. Der Grund für diese Störung bleibt ungeklärt.
Rhett Saris ap Llewellyn erfährt - wieder einmal - fragmentarisch Dinge aus seiner Vergangenheit und wendet - wieder einmal - ungewollt seine Magie an.


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Dieses Cover von Candy Kay wirkt von der Umgebung, in der es angesiedelt ist und der dort vorherrschenden Atmosphäre sehr unheimlich. Der Käfig, der Hintergrund und all die kleinen Einzelheiten sind sehr schön ins Bild eingefügt und beschreiben die Szene, die auch genauso im Roman vorkommt, sehr gut. Leider ist Rhett nicht wirklich hervorragend getroffen. Er wirkt m. E. etwas zu feminin und - wie die meisten menschlichen Gestalten bei den Covern von Frau Kay - einfach "unecht". Trotzdem gefällt mir das Bild und so gebe ich gerne 3 Kreuze.


Coverbewertung:
3 Kreuze

Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
Wieder wird Rhett ap Llewellyn von verwirrenden Erinnerungen geplagt. Seine Mutter, Lady Patricia, und Zamorra wollen den Teenager von seinen Sorgen ablenken und laden ihn auf den Lyoner Weihnachtsmarkt ein. Doch plötzlich ist Rhett wie vom Erdboden verschluckt und als Zamorra die Zeitschau seines Amuletts aktiviert beginnt Merlins Stern, ihm unkontrolliert die Lebensenergie zu entziehen, ohne dass der Meister des Übersinnlichen etwas dagegen tun könnte. Und Sir Rhett findet sich in einer fremden, künstlichen Welt wieder, wo eine Hexe darauf wartet durch die Seelen unschuldiger Kinder zu neuer Macht zu gelangen…


Meinung:
Oliver Fröhlichs zweiter Roman innerhalb der Serie PROFESSOR ZAMORRA ist ein gut durchdachter, spannender Mystery-Thriller mit einem genialen Plot, der sich hinter den Werken der erfahrenen Kollegen nicht zu verstecken braucht. Was wie eine weitere Episode aus Rhetts Erwachsenenwerdung beginnt, entwickelt sich zu einem düsteren, bitterbösen Horror-Trip, in den der Erbfolger eher zufällig hineinstolpert. Die Szenen der Vergangenheit wurden plastisch und eindringlich wiedergegeben, und mit dem Erscheinen der beiden Hexenjäger haben zwei historische Persönlichkeiten einen kleinen Auftritt, die das I-Tüpfelchen der Geschichte bilden. Eindrucksvoll und beklemmend ist die Beschreibung von Zamorras Verzweiflung gelungen, als er merkt, dass das Amulett sich gegen in gewendet hat und ihn zu töten beginnt. Nicht nur, dass Merlins Stern unzuverlässig wurde, jetzt ist es sogar zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für Leib und Leben geworden. Schließlich hat auch Fooly einen kleinen, aber bedeutenden Auftritt, der für den Ausgang des Romans, bzw. der gesamten Serie, enorm wichtig ist. Der Schreibstil von Oliver Fröhlich ist äußerst angenehm und fesselt den Leser mit einer flüssigen, minimalistischen Struktur. Die Charakterisierung der einzelnen Figuren ist dem Autor glänzend gelungen, so dass dieser Roman uneingeschränkt empfohlen werden kann und selbst für Gelegenheitsleser sehr interessant sein dürfte, denn es ist so gut wie kein Vorwissen nötig, um die Geschichte zu verstehen und genießen zu können. Ein kleiner Fauxpas ist den Verantwortlichen unterlaufen, als Rhett den verschwundenen Jungen in seinen Gedanken mit Namen nennt, obwohl dieser sich erst eine halbe Seite später vorstellt.
Fazit: Fantasievoller Dark-Fantasy-Roman mit einem grandiosen Finale. So soll ein moderner Heftroman sein: Kurzweilig, spannend und unterhaltsam.


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:
Trotz des eckigen, künstlichen Grafikdesigns ist das Cover gut gelungen, und gibt stimmungsvoll die Szene wider, in der Rhett im Käfig der Hexe auf sein Schicksal wartet.


Coverbewertung:
3 Kreuze