Professor Zamorra Nr. 935: Tochter der Dunkelheit

Professor Zamorra Nr. 935: Tochter der Dunkelheit


Sie konnte nicht einmal mehr weinen. Selbst das hatte er ihr genommen! So, wie er ihr alles andere gestohlen hatte. Aber sie war selbst schuld an ihrem Schicksal, also hatte sie nicht den geringsten Grund, sich zu beklagen. Die in zerrissene Kleider gehüllte Frau stolperte vorwärts. Verzweifelt versuchte sie, sich an den glühend heißen Felswänden zu orientieren. Sie hütete sich, die Wände zu berühren; sie hätte sich sofort die Haut verbrannt. "Wo seid ihr?", rief sie mit bebender Stimme. "Kassandra?" Nach einer kurzen Pause: "Sandy? Antworte doch!" Aber sie erhielt keine Antwort des Wesens, das ihr das verlorene Augenlicht ersetzte. Carrie zuckte zusammen, als sie ein Geräusch hörte. In den Schwefelklüften war es für einen Menschen allein zu gefährlich, zumal für eine blinde Frau. "Kassandra, bist du das?" Als sie wiederum keine Antwort erhielt, sprach sie mit heiserer Stimme den Namen ihres Peinigers aus - langsam und klagend: "Vassago?"


von M.H. Rückert, erschienen am 30.03.2010, Titelbild: Candy Kay

Rezension von Stefan (Lobo) Albertsen:


Kurzbeschreibung:
Dieses Mal erfährt der Leser, was aus Carrie Ann Boulder wurde. Nach den Geschehnissen des PZ-Bandes 882 "Reise in die Hölle", landete die ehemalige Stripperin in den Fängen des Dämons Vassago, welcher dem aufmerksamen PZ-Leser auch durch zahlreiche Auftritte als "Vassagos Spiegel" bekannt sein dürfte. Carrie Ann konnte sich nur schwerlich mit ihrem Schicksal abfinden und ließ Vassago, der ja einer der mächtigsten Erzdämonen schlechthin ist, ihren abgrundtiefen Hass spüren. Dieser wurde noch verstärkt, da sie - durch ihren Deal mit dem Dämon - gezwungen war, seine Tochter auszutragen. Als Carrie Ann den mächtigen, aber auch irgendwie eigentümlichen Dämon, der bisweilen Buße zu tun verpflichtet ist, besonders stark reizte und sich dabei wünschte ihn nie wieder sehen zu müssen, entfernte dieser blitzschnell und brutal ihre Augen, so dass sie nicht nur einfach seine Gefangene ist, sondern seine blinde Gefangene.
Kassandra, die gemeinsame Tochter der beiden, entwickelt sich zu einer rotzfrechen Dämonengöre, die nicht nur ihrem Vater auf die schwarzmagischen Nerven geht, sondern auch noch anderen Schwarzblütern zu nahe tritt und dabei kein Fettnäpfchen auslässt. Eines Tages treibt sie es wiedermal besonders bunt und als Vassago droht sie aus seiner Sippe auszustoßen, springt sie kurzerhand in die nächste Para-Spur und landet auf der Erde. Ausgerechnet im Dorf unterhalb des Château Montagne (das immer noch keinen eigenen Namen hat!). Die M-Abwehr des Schlosses ist für sie nicht zu überwinden, deshalb wendet sie sich einem Haus am Rande des Dorfes zu, von dem ebenfalls magische Energien ausgehen. In diesem hat Luc Avenge, der ehemalig ermordete Reeder und wieder auferstandene Kerr, seinen Sitz gefunden und experimentiert gerade mit der k'oandarischen Seelen-Träne, mit deren magischer Energie, er einige offene Rechnungen begleichen möchte.
Plötzlich erscheint Kassandra und nutzt die trancebedingte Verwirrung des Silbermond-Druiden, um die Träne zu stehlen und mit ihr in die Hölle zurückzukehren. Avenge ist erbost und will Kassandra folgen, doch er tut dies nicht überstürzt und bittet zunächst Professor Zamorra um Hilfe. Zähneknirschend, und wissend, dass ein Ausflug in die Hölle ohne Amulett nahezu selbstmörderisch ist, begleitet der Parapsychologe den wiedergeborenen Silbermond-Druiden. Gemeinsam gelangen sie in die Hölle, wo sie schon bald auf einige Amazonen Stygias, sowie deren Affenkrieger stoßen. Nach einem kurzen und unfreundlichen Scharmützel gelangen die beiden per zeitlosem Sprung in Vassagos Refugium, wo sie Kassandra aber auch Carrie Ann treffen.
Die Seelen-Träne ist zwischenzeitlich unter dem Einfluss einer Träne LUZIFERS völlig aus der Spur geraten und tötet sogar einen Corr-Dämonen, der in Vassagos Höhle erschien, als er diese machtvolle magische Kombination erspürte und stehlen wollte. Zu allem Überfluß erscheinen weitere Corr-Dämonen, um ihren Artgenossen zu rächen. Außerdem kehrt Vassago in seine Höhle zurück, und um das Ganze noch zu toppen, greifen einige der Höllen-Amazonen ein. Es entbrennt ein machtvoller Kampf!


Meinung:
Ehrlich gestanden hat mich dieser Roman kopfschüttelnd zurückgelassen, nachdem ich die letzte Seite las. Zugegeben, ich habe den Band 882 noch nicht gelesen, konnte mir aber anhand einer Rezi auf dieser holden Seite hier, einen guten Eindruck verschaffen, was den Ereignissen des vorliegenden Romans vorausging. Alles in allem bleibt ein etwas schaler Beigeschmack, denn obwohl es einige gute Ansätze in "Tochter der Dunkelheit" gibt und M. H. Rückert (nach längerer PZ-Abstinenz!) streckenweise eine unheilvolle Atmosphäre entstehen lässt - z. B. in den Passagen, wo sich die blinde Carrie Ann durch die Höhle ihres Lebensgefährten/Peinigers Vassago tastet - ist die Story sogar fürs Horror/Fantasy-Genre etwas hanebüchen.
Kassandra, die wohl sympathisch verrückt angelegt sein soll (hier kann ich mich jedoch irren, wie ich zugeben muss), nervt einfach nur und Carrie Ann Boulders Misere erzeugt zwar einige atmosphärische Momente, versickert jedoch, trotz der Pointe am Ende. Diese beiden Figuren vermischen sich gemeinsam mit dem übermächtigen und teilweise auch überfordert wirkenden Vassago zu einer Art höllischer Variante von "Eine schrecklich nette Familie" und wenn sie sich gegenseitig angiften und keifen, fragt man sich als Leser "was soll das Ganze eigentlich?". Spannung kommt lediglich in den Momenten auf, da Luc Avenge und Zamorra von Amazonen und Affenkriegern umzingelt ums Leben kämpfen müssen. Dagegen ist der Endkampf in Vassagos Höhle leider vollkommen überfrachtet und kommt gar nicht gut rüber. Die drei Endszenen sind, bis auf die, in der Carrie Ann eine schreckliche/schöne (??) Entdeckung macht, irgendwie … ja wie soll man es formulieren? Überflüssig?
Die Anführerin der Amazonen scheint Stygia eine schlechte Nachricht zu übermitteln, wobei die Ministerpräsidentin der Hölle diese mehr als gelassen entgegennimmt. Zamorra und Avenge jedoch landen in der … Forumkneipe "Zum brennenden Beichtstuhl", in der der fleissige Besucher des Zamorra-Forums auf der Bastei-Website einige alte Bekannte wieder trifft (z. B. Sinclair, Hermes, Weltenbummler und Dolmial). Was das nun soll (außer vielleicht als Anspielung gewertet zu werden), weiß ich nicht und die Dialoge, die sich in dieser Passage abspielen, sind irgendwie … überflüssig? Nun ja, ein kurzes Fazit hintenan. Ich habe noch nicht viel von Herrn Rückert gelesen, doch sein Beitrag zur 900-Trilogie hat mir damals sehr gut gefallen. Leider kann ich diese Wertung nicht einfach so auf den vorliegenden Band übertragen. Die Einleitung ist zu lang gezogen, die Verwicklungen in der Hölle streckenweise zu albern, Zamorra und Avenge agieren bisweilen arg unbeholfen (unter solchen Umständen kann kein Dämonenjäger 30 Jahre lang überleben!!!), Kassandra nervt einfach nur und insgesamt ist der Roman eher langweilig. Sorry, aber wenn die Storyline weitergeführt werden soll (ich denke da vor allem an Carrie Anns Schicksal, was schon interessant werden könnte), dann muss der nächste dazugehörende Band ein klein wenig spannender und vor allem deutlich weniger albern sein.


Besonderheiten:
Erster (letzter?) Auftritt des Dämonenmädchens Kassandra!
Carrie Ann Boulders Schicksal wird näher beleuchtet.
Luc Avenges Seelen-Träne wird vernichtet!


2 von 5 möglichen Kreuzen:
2 Kreuze


Kommentare zum Cover:

In den letzten Wochen hat uns Candy Kay mit einigen sehr schönen Covern verwöhnt. Leider ist das Bild in diesem Fall nicht wirklich gelungen. Es wird eine Szene aus dem Roman dargestellt. Die düstere Atmosphäre ist gut getroffen, aber Carrie Ann wirkt sehr "barbiehaft". Kassandra kann mich ebenso wenig überzeugen wie Vassagos Klaue, die aus der Decke heraus greift. In diesem Fall vergebe ich 2 Kreuze.


Coverbewertung:
2 Kreuze