Silber-Grusel-Krimi Nr. 124: Im Horror-Reich der Nökken
Silber-Grusel-Krimi Nr. 124: Im Horror-Reich der Nökken


Die Nacht war mondhell und romantisch. Eine Nacht zum Träumen. Und dann wurde es eine nacht der Alpträume, die den Tod brachten ... Davon ahnten die jungen Menschen jedoch nichts, die sich in der einsamen Blockhütte mitten in dem dunklen Kiefernwald trafen, um ein Fest zu feiern. Sie waren zu acht. Vier Pärchen Jan hatte seine Mundharmonika mitgebracht. Kirsten spielte auf der Gitarre. Die vier jungen Männer und Frauen, die mit Autos und Motorrädern in dieses bewaldete, abseits gelegene Tal gekommen waren, hatten eine lange Anreise hinter sich. Sie mieteten die Hütte bei einem Privatmann in Kristiansund, dem der Wald gehörte. Die Hütte war nicht in Schuß und schon lange unbenutzt, doch daß störte die Gruppe nicht. Sie brauchten für die Nacht ein Dach über dem Kopf, mehr nicht. Unweit der Hütte lag im Mondlicht geheimnisvoll funkelnd wie ein Juwel ein kleiner Waldsee. Von diesen Gewässern gab es in Norwegen Tausende, und in den Märchen und Legenden dieses Landes erzählt man sich davon, daß diese Seen von seltsamen und scheuen Wesen bewohnt wären. Aber an Märchen und Legenden dachte in dieser Stunde niemand. Die Freunde erzählten sich aus der gemeinsamen Schulzeit. man amüsierte sich köstlich. Es wurde gelacht, gescherzt und gesungen.


von Jürgen Grasmück, erschienen am 07.09.1976, Titelbild: R.S. Lonati

Rezension von Wolfgang Trubshaw:


Kurzbeschreibung:
Tief vergraben zwischen den diversen größtenteils wahllos und gezwungen-unglaubwürdig miteinander verknüpften Handlungsfäden liegt im Herzen der Erzählung ein klassisches Thema, nämlich das des verrückten Wissenschafters: Der Meeresforscher Hölsun findet am Grund des Meeres eine von urzeitlichen oder gar außerirdischen hinterlassene Höhle, die fast an die Brücke eines Raumschiffes erinnert. Ebendort findet er ein unfassbar mächtiges Relikt dieser von ihm "Großen" genannten Wesen, das entfernt an eine abgeflachte Bowling-Kugel erinnert, mit Einbuchtungen für Finger. Hat man seine Finger darin, kann man quasi mit der Vorstellungskraft seiner Gedanken allein, sämtlicher Materie seinen Willen zur Umwandlung in jede gewünschte andere Form (laut Dan Shocker auch in Anti-Materie ...) aufzwingen. Allerdings scheint das nur für anorganische Materie zu gelten, da Hölsun Menschenopfer braucht, damit er aus ihrem Zellmaterial dann seine Nöcken, oder etwa auch Riesenkraken umformen kann. Er verfällt in so eine Art Gott-Wahn, und fantasiert davon, dass er am Meeresgrund eine neue Welt erschafft, ja geradezu schöpft, voller Nixen, Meerwesen, und dergleichen mehr, deren Gottheit er dann wäre. Am Ende stirbt er pikanterweise dadurch, dass ein abgetrennter Tentakelarm eines Riesenkraken ihn trifft, wegschleudert und beim Aufprall das Genick bricht.


Meinung:
Aua, dieser Roman tat weh! Eigentlich werden hier mindestens drei verschiedene Romane in einem erzählt, mit dreimal so vielen Szenenwechseln wie üblich, mit dreimal so vielen Shocker'schen falschen Fährten wie üblich, und leider auch mit dreimal so vielen Figuren wie normalerweise in einem Heftroman auftauchen. Der erste Handlungsstrang mit einer Art Camping-Klassentreffen bringt schon mal acht Figuren, aus deren Mitte Professor Hölsun einige durch den Nökk im Bergsee entführen lässt, und obendrein ist ein anderer der acht noch geisteskrank, und wird zum Serienkiller im Heft, obwohl diese Handlung absolut nichts mit Professor Hölsun zu tun hat... Im zweiten Handlungsstrang gibt es elf (!) weitere Figuren (darunter X-GIRL-C) als Gäste auf einer Party in einem unterseeischen Haus, in die ein Riesenkrake Terror bringt. Dann spinnt sich die erste Handlung wieder weiter und alle möglichen Polizisten und Verwandten der ursprünglichen acht Figuren tauchen auf, und werden auch - wunderschön verwirrend - namentlich erwähnt, obgleich sie einen Absatz später wieder handlungs-technisch zu vergessen sind. Dann wird mit der PSA-Zentrale Kontakt aufgenommen, und Larry verkündigt Leser-verwirrende Absichten, etwa das Hinzuziehen von X-RAY-11 (Pierre Lasalle), auf dessen Auftauchen im Heft man aber vergebens wartet. Und so geht es weiter und weiter und weiter. Am Ende wusste ich noch den Namen von Morna Ulbrandson, und vom Wissenschafter, und sonst nix. Am schlimmsten ist, dass Hölsun von den unzähligen Figuren eigentlich noch am farblosesten bleibt - selbst das erste schnelle Opfer im Heft hat mehr Tiefe als der Meeresforscher. Die Mächtigkeit des Relikts und die Implikationen, die diese urzeitlich/außerirdische Zivilisation aufwirft, werden zwar vom Autor selbst vollkommen ignoriert, genügen aber, das Heft vollkommen kaputt zu machen. Speziell wie fahrlässig am Ende mit dem Relikt umgegangen wird, ist einfach nur letztklassig. Aus dem Camping-Klassentreffen mit dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip und dem geisteskranken Serienmörder hätte sich ein wesentlich netteres und stimmungsvolleres Heft für sich allein schreiben lassen. Auch der zweite Handlungsstrang hätte für sich allein und nur mit "normal-wahnsinnigem" Hölsun ausgestattet ein tolles Heft abgegeben. Aber mit dem fast an Lovecraft erinnerndem dritten Handlungsstrang, der obendrein lieblos erst ab den 50er-Seiten zusammen-fabuliert wird, sind beide Handlungsstränge vollkommen verdorben worden.


Besonderheiten:
- 94. Grusel-Schocker mit Larry Brent, wobei erwähnt werden sollte, dass dieses Heft praktisch ein Morna Ulbrandson Solo-Abenteuer ist, da die Schwedin zwar zwischendurch mal kurz mit Larry Brent (in seiner geheimen X-RAY-1 Neben- bzw. Doppelfunktion) per goldenem Armband "telefoniert", aber aus diesem Telefonat bis auf das Losschicken der lokalen Küstenwache keinerlei weitere Folgen resultieren.
- Da Brent zum Zeitpunkt der Handlung in China weilt, ist der komplette Fall schon gelöst, als er in Norwegen eintrifft, und sein Auftritt auf den letzten zwei Seiten besteht nur daraus, mit X-GIRL-C eine runde schwimmen zu gehen am (An-)Baggersee ...
- Außerdem wird die geheimnisvolle Materie-Kugel an des Meeresforschungsinstitut in Oslo weitergegeben, zwecks wissenschaftlicher Untersuchungen, an denen auch ein PSA-Spezialist mitwirkt.


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:
Tolles Cover von Rudolf Sieber-Lonati ("Lo"). Hält man das echte Heft in Händen, wirkt das Meer von der Farbgebung her viel blau-stichiger und somit mehr Richtung Aquamarin/Türkis/Grünblau als hier der Scan. Die Szene selbst kommt fast exakt so im Heft vor, nur der Drachenbug des alten Wikingerschiffes rechts unten wird an dieser Stelle im Heft nicht erwähnt, später hingegen findet der Roman sein Finale an einem Ort wo unzählige alte Schiffe auf einer Art Schiffsfriedhof am Meeresgrund verrotten, also ist es durchaus passend. Die dargestellte Szene ist zwar keine Schlüsselszene im Heft, aber hier sehr stimmungsvoll gemalt, speziell wie das Meer und das Unwetter quasi übergangslos ineinander schmelzen ist hervorragend dargestellt.


Coverbewertung:
4 Kreuze

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Dieses Titelbild wurde ebenfalls für die Professor Zamorra Liebhaber-Edition Nr. 30 verwendet:

Professor Zamorra Liebhaber-Edition Nr. 30