Vampir-Horror-Roman Nr. 305: Die Tigerfrau

Vampir-Horror-Roman Nr. 305: Die Tigerfrau


Die Sonne verschwand als blutrote Scheibe hinter den Wipfeln der uralten Bäume. Die Dämmerung trat ein. Einen Augenblick war Ruhe. Nur die lehmgelben Fluten des Hugli River plätscherten im stetigen Spiel gegen das sumpfige Ufer. Die Bäume waren so dicht an das Wasser herangewachsen, daß während des immer wiederkehrenden Monsuns die mutigsten und vorwitzigsten unter ihnen ihr keckes Treiben mit dem Leben bezahlen mußten. Von den Fluten unterspült, brachen sie zusammen und beendeten ihr Dasein dort, wo es sie hingezogen hatte -im Fluß. Die Ruhe währte nur sekundenlang, dann begannen die anderen - diejenigen, die den ganzen Tag auf diese Sekunde gewartet hatten, mit ihrem Konzert. Abschreckend und schön zugleich war es. Ein grelles Schnarren, Keckern und Zetern zeugte von dem Treiben der Affen. Äste brachen, und gleichzeitig kündete ein dumpfes Grunzen und Schmatzen vorn Nahen der Wildschweine. Dann brach das Rudel hervor. Zuerst trauten sich die ältesten, stärksten Tiere aus der schützenden Pflanzenwand, dann folgten, vom ganzen Rudel beschützt, die Jungen und die Jüngsten. Nun gab es nichts mehr, was die schlanken, eleganten Axishirsche zurückhielt. Zwar war die Wachsamkeit ein Teil ihrer Natur und der Fluchtreflex ein angeborener Wesenszug, aber allmählich besiegten Durst und Hunger die Angst. Mittlerweile war die Sonne ganz verschwunden, und die Schatten griffen immer gieriger nach der Landschaft. Dicht über der Wasserfläche funkelten die glühenden Augen der Gaviale und Krokodile.


von Miles Greene, erschienen 1979, Titelbild: N. Lutohin
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Wolfgang Trubshaw:
Das gleiche Cover wurde auch auf dem Professor Zamorra Roman Nr. 643 verwendet:

Professor Zamorra Nr. 643: Schlangenträume