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Einen Augenblick lang war Sheila atemlos. Der lebhafte Tanz mit dem Fremden,
die zum Schneiden dicke Luft und die qualvolle Enge in der bunten,
lärmenden Menschenmenge ließen sie sich fragen, was sie hier suchte.
Ein Kostümfest! Sheila wußte, daß Robert sie nur mitgenommen
hatte, um ein Alibi für sein eigenes Vergnügen zu haben. Sie hatte
ihren Mann während des Abends nur zweimal im Vorübertanzen zu Gesicht
bekommen, immer mit der gleichen Lady Dubarry im Arm. Beide Male hatte Sheila
das helle Kichern der jungen Frau genervt, aber Roberts Augen halten gestrahlt.
Er war spürbar in seine Partnerin verliebt, und er hing buchstäblich
wie eine Klette an ihr. Sheila war nicht eifersüchtig. Nicht auf Robert,
nicht nach zehn Jahren Ehe. Robert neigte dazu, andere zu bewundern. Er hatte
eine Schwäche für Blonde mit üppigen Oberweiten, und er war
beständig auf der Suche nach neuen Gesichtern, Eindrücken und
Erlebnissen. Sheila hatte gelernt, damit zu leben, ohne bislang auf die Idee
verfallen zu sein, ihm seine sporadischen Seitensprünge heimzuzahlen.
Sheila Borden war schon rein äußerlich nicht der Typ, der
Männerblicke spontan anzog, aber wer sie genau anschaute, hatte keine
Mühe, sich an der Geradlinigkeit ihres Gesichtes, an den großen,
graublauen Augen und dem vollen, weichen Mund zu erfreuen. Nein, sie war
keine Schönheit, aber sie hatte ein Gesicht von damenhafter Qualität,
dem man allenfalls eine gewisse Strenge anlasten konnte, einen Hang zur
Melancholie.