Vampir-Horror-Roman Nr. 350: Vampire küßt man nicht

Vampir-Horror-Roman Nr. 350: Vampire küßt man nicht


Einen Augenblick lang war Sheila atemlos. Der lebhafte Tanz mit dem Fremden, die zum Schneiden dicke Luft und die qualvolle Enge in der bunten, lärmenden Menschenmenge ließen sie sich fragen, was sie hier suchte. Ein Kostümfest! Sheila wußte, daß Robert sie nur mitgenommen hatte, um ein Alibi für sein eigenes Vergnügen zu haben. Sie hatte ihren Mann während des Abends nur zweimal im Vorübertanzen zu Gesicht bekommen, immer mit der gleichen Lady Dubarry im Arm. Beide Male hatte Sheila das helle Kichern der jungen Frau genervt, aber Roberts Augen halten gestrahlt. Er war spürbar in seine Partnerin verliebt, und er hing buchstäblich wie eine Klette an ihr. Sheila war nicht eifersüchtig. Nicht auf Robert, nicht nach zehn Jahren Ehe. Robert neigte dazu, andere zu bewundern. Er hatte eine Schwäche für Blonde mit üppigen Oberweiten, und er war beständig auf der Suche nach neuen Gesichtern, Eindrücken und Erlebnissen. Sheila hatte gelernt, damit zu leben, ohne bislang auf die Idee verfallen zu sein, ihm seine sporadischen Seitensprünge heimzuzahlen. Sheila Borden war schon rein äußerlich nicht der Typ, der Männerblicke spontan anzog, aber wer sie genau anschaute, hatte keine Mühe, sich an der Geradlinigkeit ihres Gesichtes, an den großen, graublauen Augen und dem vollen, weichen Mund zu erfreuen. Nein, sie war keine Schönheit, aber sie hatte ein Gesicht von damenhafter Qualität, dem man allenfalls eine gewisse Strenge anlasten konnte, einen Hang zur Melancholie.


von Cedric Balmore, erschienen 1980, Titelbild: N. Lutohin
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das selbe Motiv wurde später auch noch auf dem Cover des Professor Zamorra-Romans Nr. 707 verwendet:

Professor Zamorra Nr. 707: Im Schatten des Vampirs